Schlägt seit dem Jahr 2020 das Pendel zurück?

Ein Leser meines Buches zum Mauerfall sagte mir neulich kryptisch: „Bei Ihrer Beschreibung der Umgestaltung Europas vor 30 Jahren sind Sie ja dem Globalen Prädiktor sehr nahe gekommen“. Da ich daraufhin wohl etwas verdutzt geschaut haben muss, gab er mir die Webadresse eines russischen Thinktanks der sich mit den Fragen der globalen Machtsteuerung befasst. Der Sprecher, Valery Pyakin, erläutert dazu auf der Webseite (in Russisch) regelmäßig aktuelle politische Ereignisse und zeigt deren Hintergründe auf. Etwa eine Woche nach der Veröffentlichung gibt es in russisch ein Transkript, welches mit google übersetzt werden kann. Auszugsweise findet man in deutscher Sprache kurze Zeit später Übersetzungen auf der Webseite fktdeutsch.wordpress.com.

Wenn Sie mein Buch gelesen haben (oder zumindest das Inhaltsverzeichnis) dann erkennen Sie, dass ich eine Trennlinie ziehe zwischen dem, was wir durch die Medien vermittelt bekamen und emotional aufnahmen (den Mauerfall vom 9. November 1989, gekrönt durch Beethovens „Ode an die Freude“ bei der Einheitsfeier 1990) und dem, was hinter diesem Nebelvorhang für die Allgemeinheit (fast) unsichtbar ablief.

Kennt man aber die damaligen geopolitischen Weichenstellungen, die zum Mauerfall führten, dann versteht man schlagartig, was aktuell seit dem Frühjahr 2020 abläuft – die Fortsetzung von 1989/90 als Wende II. Geopolitisch werden die Machtstrukturen verändert hin zu mehr staatsmonopolistischen Strukturen in ganz Europa und dem Ende der Globalisierung (die 1990/91 mit der Einbeziehung der Sowjetunion und Chinas in die Weltwirtschaft begann).

Lesen oder hören Sie Valeriy Pyakin und Sie werden verstehen, dass die geopolitischen Verschiebungen, die zum Niedergang der UdSSR und Berliner Mauerfall 1989 führten, heute den Rückzug der USA als Welt-Polizist einleiten. Das Pendel schlägt zurück, Russland ist jetzt – neben China – auf dem Weg zur Weltmacht und wird in Zukunft eine Führungsrolle in Europa einnehmen – nunmehr in ganz Europa, nicht mehr nur bis zur Elbe.

Begleitet wird diese neue Wende wieder durch einen emotionalen Nebelvorhang der Medien – diesmal war es ein Virus. Die Musik dazu liefert Ennio Morricone: „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Der politische, ideologische und wirtschaftliche Niedergang der Sowjetunion führte Anfang der achtziger Jahre zu einem Umdenken. Mit dem Antritt Gorbatschows 1985 wurde den Amerikanern signalisiert:

  • dass man dem Sozialismus abschwöre,
  • sich wieder in die Weltwirtschaft integrieren werde,
  • sich aus den, in Jalta 1945 zugestandenen Gebieten Europas zurückziehe.

Die USA boten als Gegenleistung ihre Zustimmung:

  • zur Privatisierung des Volkseigentums durch die Partei-Nomenklatura
  • später keine medialen oder juristische Attacken zu inszenieren und ehemalige Funktionäre anzuklagen (Menschenrechtsgerichtshof in Verbindung mit GULAG)

Die Amerikaner hatten seit 1918 auf diesen Tag gewartet. Hatten doch die Großbanken jener Zeit auch die zaristische Kriegsführung seit 1914 kreditiert und mussten 1918 von den Bolschewiki vernehmen, dass man nicht gedenke, diese Kredite und Anleihen weiter zu bedienen. Das Handelsblatt beschrieb diese Situation am 23.08.2014

Die Banken in London und Washington registrierten 1918 nach der Machtergreifung der Bolschewiki einen Totalausfall der Zahlungen aus Russland, den man versuchte, 1919 durch den Versailler Vertrag mit den horrenden Zahlungen Deutschlands zu kompensieren. Übrigens: Vor über 10 Jahren, am 3. Oktober 2010 zahlte die Bundesrepublik die letzte Tranche der deutschen Verpflichtungen aus dem Versailler Vertrag.
Hinzu kamen 1918 in Russland die offenen Rechnungen für die Enteignungen, wie bspw. der von Rothschild finanzierten Eisenbahnlinie zum Kaspischen Meer und die dort betriebene Ölförderung und Raffinerien.

Allerdings zeigte sich bei der Umsetzung des geplanten Rückzuges der Sowjetunion 1987 ein Problem, welches auch die KPdSU nicht einvernehmlich mit der SED-Führung lösen konnte. Erich Honecker sagte bei einem Besuch Gorbatschows und Schewardnadses Ende Mai 1987 in Berlin zu deren Vorschlag, die Mauer abzureißen unerwartet: NEIN. Zum Spiegel Artikel

US-Präsident Ronald Reagan sprach daraufhin zwei Wochen später auf der Westseite des Brandenburger Tores die damals von vielen in ihrer Bedeutung nicht verstandenen Worte: Mr. Gorbachev tear down the wall! Auch ich glaubte damals an einen PR-Coup. Heute vermute ich, dass es beidseitig abgestimmt war.

Brandenburger Tor 1980, von der Westseite aus gesehen. © Adobe Stock Photo 246659972
Brandenburger Tor 1980, von der Westseite aus gesehen. © Adobe Stock Photo 246659972

Da, wo das Schild stand, stellte 1987 US-Präsident Ronald Reagan seine berühmte Forderung – nicht an die DDR-Führung hinter der Mauer – sondern an den sowjetischen Präsidenten: „Mr Gorbachev, tear down this wall.“

Dieses NEIN von Honecker war der Grund für den vom sowjetischen Militärgeheimdienst GRU konzipierten und durch seine inoffiziellen Mitarbeiter in der DDR verdeckt ausgeführten Mauerfall. Niemand weiß bis heute wie es im einzelnen ablief. Durch diese – bis heute andauernde – Anonymität der Verursacher des Mauerfalls schützte sich die UdSSR vor innenpolitischen Unruhen und dem Vorwurf des Verrats an den Verbündeten.

Und deshalb wird bei uns noch heute landauf und landab das Lied von den friedlichen Revolutionären gesungen, die die Mauer zum Einsturz brachten. In meinem Buch zeige ich anhand von Indizien den technischen Ablauf des Mauerfalls am 9./10. November 1989 und begründe, warum die Mauer am 9. November – und keinen Tag eher oder später – fallen musste.

Ich wurde dann Anfang 1991 vom Konzern nach Moskau versetzt, gründete die Repräsentanz in der UdSSR und erlebte die Privatisierung des Volkseigentums durch Funktionäre und deren Familienangehörige. Jeder Mitarbeiter eines Betriebes erhielt seinen Anteil am Betrieb in Form eines Vouchers.
Wie die Einkommenssituation in der Sowjetunion war (es gab nur Angestellte, keine Unternehmer) wird in meinem Buch in Teil III beschrieben. Deshalb konnte niemand Vouchers in hoher Stückzahl aufkaufen – dachten die Planer in der KPdSU. Offenbar schwebte ihnen vor, die Unternehmen als Genossenschaft zu betreiben. Jedes Mitglied hätte dann nur eine Stimme gehabt.

Interessant war, dass in einem multiethnischem Land mit etwa 293 Mio. Einwohnern im Jahre 1991, wo die Russen etwa 80% der Bevölkerung stellten und es über 100 Ethnien gab, Vertreter einer sehr kleinen Ethnie, die weniger als 1% Anteil an der Gesamtbevölkerung hatte, den überwiegenden Zugriff auf die Rohstoffressourcen erhielten.

1995 gehörte etwa ¾ der Oligarchen, also der Leute, die das meiste Volkseigentum privatisiert hatten, zur ethnischen Minderheit der Juden. Langsam verdichtete sich das Bild, was die Perestroika in Wirklichkeit war – der Ausverkauf der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers in Europa an die reichsten Familien der Welt. Hier ein Beispiel, wie die Privatisierung ablief.

Am 27.09.2020 informierte: RT Deutsch

Roman Abramowitsch finanzierte Judaisierung von Ost-Jerusalem

“In der wilden Zeit der Privatisierungswelle während der Jelzin-Ära legte der damals gerade mal 29-jährige Roman Arkadjewitsch Abramowitsch den Grundstein für ein unvorstellbares Vermögen. Mit den “richtigen” Kontakten sicherte er sich die Mehrheit an dem per Präsidialerlass gegründeten Gaskonzern Sibneft für gerade mal 100 Millionen US Dollar. Nach nur zehn Jahren verkaufte er seinen Anteil von 72,7 Prozent an Gazprom für 13,1 Milliarden US-Dollar! … Nicht nur die Herkunft Zahavis führte diese vier Unternehmen nach Israel, sondern auch die Zahlung von insgesamt rund 100 Millionen US-Dollar an die extremistische Siedlerorganisation Elad in Jerusalem. Damit wurde Abramowitsch mit Abstand der größte Einzelspender einer Organisation, die sich für die Judaisierung des palästinensischen Viertels Silwan in Ost-Jerusalem einsetzt.”

Wie Abramowitsch sein Geld erwirtschaftete, lesen Sie bei Wikipedia. Allerdings erfährt man nicht, woher er 1995 – etwas mehr als 3 Jahre nach Auflösung der Sowjetunion, in der Devisenbesitz strafbar war – sein Startkapital in Höhe von 100 Millionen Dollar hatte. Wikipedia schreibt dazu

Auf wessen Rat Boris Jelzin als Präsident Russlands ab 1992 hörte

Da an der Privatisierung des Volkseigentums nur Sowjetbürger teilnehmen konnten, erhielten ausgewählte Sowjetbürger jüdischer Nationalität streng vertrauliche Kreditzusagen der internationalen Finanzindustrie um die Privatisierungs-Vouchers (die jeder Angestellte erhielt), aufkaufen zu können.

Schon Ende der achtziger Jahre hatten die Rabbinate in der UdSSR begonnen, Kontakte zwischen Vertretern internationaler jüdischer Finanzkonzerne zu sowjetischen Juden in Führungsfunktionen zu vermitteln und so die potenziellen Kreditnehmer auf das Kommende vorzubereiten. Als dann jeder sowjetische Arbeitnehmer seinen Voucher (seinen Anteil am Volkseigentum) an seinem Betrieb erhielt, hatten sie das Geld, diese Voucher aufzukaufen und konnten sich dann in kurzer Zeit Oligarch nennen. Stellen Sie sich das bei den riesigen Rohstoff-Kombinaten, mit mehr als 100.000 Angestellten und Arbeitern vor.
Mir liegen keine historischen Mitarbeiterzahlen vor, aber Gazprom hat heute etwa 450.000 Mitarbeiter weltweit, die Ölkonzerne zwischen 100.000 – 200.000 Mitarbeiter. Lukoil, der sechstgrößte Ölkonzern der Welt – 1991 gegründet – gehört mehrheitlich seinen Managern.

Die ethnischen Russen und Vertreter anderer Ethnien nutzen für diesen Anschub überwiegend die Gelder von KPdSU, Komsomol und Gewerkschaft bzw. der Kombinate. Ein bewährtes Mittel der primären Akkumulation war die Aussetzung der Lohnzahlung an die Arbeiter und dann der Hinweis, dass man deren Voucher abkaufe. Die Direktoren und Funktionäre kauften als Privatperson den Voucher und bezahlten mit den nicht ausgezahlten Löhnen des Betriebes. Diese Leute nannten sich dann Bisnissmen.

Nur der staatliche militärisch-industrielle Komplex wurde nicht privatisiert, was den Russen heute einen Vorsprung vor der amerikanischen Rüstungsindustrie ermöglicht.

Bei der von Marx beschriebenen ursprünglichen Akkumulation des Kapitals benötigte man damals noch viele Jahrzehnte, um Milliardär zu werden. In Russland schafften das über 100 Personen in etwa 20 Jahren, so das Handelsblatt.

Hier eine Auswahl unter den 500 reichsten Menschen der Welt, reduziert auf drei Länder: Die Liste endet bei 1.000 mit einem Inder, der 2,7 Mrd. Euro besitzt.

Auswahl unter den 500 reichsten Menschen der Welt nach Ländern

Rangfolge 2019
Platz
USA
(A)
Russland
(B)
China / Hongkong
(C)
Vermögen
Mrd. US$ pro Person
1 – 1003571116 – 104
101 – 200249238 – 13
201 – 300372196 – 8
301 – 40036155 – 6
401 – 50046123, 7 – 4
Anteil an den 500 Reichsten,
(Differenz andere Länder)
176
(35% der Reichsten500)
18
(4% der Reichsten 500)
80
(16% der Reichsten 500)
B+C = 98 von 500
Rangfolge 2021
Platz
USA
(A)
Russland
(B)
China / Hongkong
(C)
VErmögen
Mrd. € pro Person
1 – 1003572716 – 159
101 – 2002292710 – 16
201 – 300265187 – 10
301 – 400307236 – 7
401 – 500414125 – 6
Anteil an den 500 Reichsten,
(Differenz andere Länder)
154
(31% der Reichsten500)
32
(6% der Reichsten 500)
107
(21% der Reichsten 500)
B+C = 139 von 500
Seit etwa 25 Jahren sind Chinesen und Russen erstmals in der Liga die Interessen der Reichsten der Welt vertreten und wie die Tabellen zeigen, in zunehmender Anzahl.
Wir erinnern uns: Bis 1993 gab es keine russischen oder chinesischen Milliardäre.

Forbes informierte am 6. April 2021 über die Anzahl der Milliardäre in den 10 größten Städten der Welt, die Hälfte in China/Hong Kong. Forbes schreibt dazu

No.Anzahl der MilliadäreZuwachs zum VorjahrStadt
1100+33Peking
299+7New York
380+9Hong Kong
479+9Moskau
568+24Shenzen
664+18Shanghai
763+7London
848+10Mumbai
948+11San Francisco
1047+21Hangzou
Zuwachs an Milliardären in China zum Vorjahr: 105 | Zuwachs an Milliardären in New York und SF: 18 | (gelb = China | rot = USA )

Wobei ich diesen Zahlen nicht traue, denn aufgrund ihrer Erfahrungen in ihren ehemals sozialistischen Ländern haben viele Russen und Chinesen ihr Geld versteckt durch Briefkastenfirmen verwalten lassen. So dürfte russisches und chinesisches Vermögen auch in der Schweiz, Liechtenstein, den Steueroasen in der Karibik, Delaware und britischen Inseln liegen. Die Erinnerungen an Lenin, Stalin oder Mao und deren Enteignungen, Erschießungen und Umerziehungslager für Kapitalisten waren noch zu frisch.
Als Putin im Jahr 2000 sein Amt antrat, begannen sofort die reichsten Russen ihre Vermögenswerte in Briefkastenfirmen im Ausland zu verschieben – bevorzugt in die Schweiz wegen des bestehenden Investitionsschutzabkommens.

Das Kalkül: Bei einer „Wiederauferstehung“ Lenins wären es Schweizer Vermögenswerte gewesen, die – so hoffte man – nicht enteignet werden würden.
So hatte ich, dank meiner alten Beziehungen, einen neuen Job als „Reiseleiter Schweiz“, wo ich russische Millionäre in die Geheimnisse der Gründung von Briefkastenfirmen und deren Betrieb im Kanton Zug oder in Liechtenstein einweihte. Leider beendete 2003 die Entwicklung des Internets dann diesen Job, man konnte von Moskau aus seine Vermögenswerte verschieben.

Der Anteil der Milliardäre aus Russland und China dürften deshalb in der Realität erheblich höher sein und bei knapp 50% aller Milliardäre weltweit liegen. Das verändert das Kräfteverhältnis des Westens mit dem Osten. Die angel-sächsischen Machtstrukturen, die über Geheimgesellschaften wie Skulls & Bones und durch diese kontrollierte Organisationen, Stiftungen und Vereine gemeinsam mit der Hochfinanz die Welt führ(t)en sehen sich zunehmendem Druck durch China und Russland ausgesetzt.

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Dieser Druck zeigt sich in den zunehmenden Spannungen der USA mit diesen Ländern. Die Träume vom „Ende der Geschichte“, die Francis Fukuyama Ende in seinem Buch von 1992 beschrieb, bewahrheiten sich nun – jedoch anders als gedacht. Es ist das Ende der anglo-amerikanischen Vorherrschaft, die durch den Fall des Sozialismus 1989/91 eingeläutet wurde.

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Heute sieht es so aus, dass damals offenbar ein Antipode bei seinem Fall den anderen zeitverzögert mitriss. Eine Beschreibung dieser Situation mit anderen Worten liefert Klaus Schwab, der Begründer und Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums, mit seinem Buch Der Great Reset um den Kapitalismus neu aufzustellen.

Doch zurück zu Pyakin. Um zu verstehen, wer oder was der Globale Prädiktor ist, hier ein 5 min Video.
Und hier ein Text der deutschsprachigen Ausgabe zum Thema: Wohin steuert der Globale Prädiktor?
Der Beitrag vom 07.Januar 2020 erschien wenige Wochen vor Ausbruch der Corona-Pandemie und den ab März 2020 weltweit verhängten Einschränkungen. Eine hellseherische Prognose.

“Der Sinn der momentan stattfindenden Politik ist die Zerstörung der aktuell existierenden Weltordnung und die Einführung eines neuen globalen Mittelalters, welches aber eine neue technologische Grundlage hat, die von den Mächtigsten dieser Welt beherrscht wird.”

Pyakin

Wie aus Pyakins Sicht der Amtsantritt Bidens bewertet wird

Die Politik vom GP in Bezug auf die USA

Eine Analyse des russischen Thinktanks Russtrat zur aktuellen Politik des Westens

Biden-Putin: Warum ein Jalta II?

 Biden-Putin: eher ein Jalta II statt ein neues Berlin

Was denken Sie nach dem Lesen dieser Informationen: schlägt das Pendel zurück?